Die Destination Wattens und ihr Gaumenglück

Ausgerechnet eine Firma namens „Gaumenglück“ soll die Zukunft der Destination Wattens sichern. Die frisch gegründete Tochtergesellschaft soll mit Kantinenbetrieb und Catering dringend benötigtes Geld in die Destinationskasse spülen. Der Haken: Der Gemeinderat hat darüber nie entschieden.

Die Destination Wattens Regionalentwicklung GmbH wurde 2011 gegründet. Firma Swarovski und Marktgemeinde Wattens wollten ihre über 115 Jahre alte Partnerschaft „institutionalisieren“. Der visionäre Kopf dahinter: Markus Langes-Swarovski, heute u.a. Gemeinderatskandidat auf der Bürgermeisterliste. Swarovski hält 60% am Unternehmen, die Gemeinde 40%. Nach Ex-Kristallwelten-Chef Andreas Braun führt Ex-Swarovskianer Matthias Neeff seit 2016 die Geschicke der „Öffentlich-Privaten-Partnerschaft“.

Ziel der Gesellschaft ist es u.a., den Standort Wattens durch Betriebsansiedelung, angewandte Forschung und Bildungsinitiativen weiterzuentwickeln. Das kostet Geld. Viel Geld. Jährlich schießen die beiden Gesellschafter seit 2011 für den laufenden Betrieb bis zu eine Million Euro gemäß ihrer Anteile zu. Allein die Marktgemeinde Wattens machte so in den vergangenen zehn Jahren über drei Millionen Euro locker. Schon bei der Gründung 2011 machten beide Gesellschafter klar: Diese großzügigen Zuschüsse würden nicht auf ewig fließen. Die Geschäftstätigkeit wurde auf zehn Jahre angesetzt. Mehrfach betonte Bürgermeister Thomas Oberbeirsteiner, dass die Destination Wattens in einem vernünftigen Zeitraum auf finanziell eigenständige Beine kommen müsste.

Keine Eigenständigkeit in Sicht

Als das Unternehmen Swarovski ab 2019 zunehmend in die Krise schlitterte, wurde auch die kostspielige Beteiligung an der Destination Wattens ins Visier genommen. Der Geldhahn sollte abgedreht werden. Bürgermeister Thomas Oberbeirsteiner, Vertreter der Marktgemeinde Wattens in der Gesellschafterversammlung der Destination und selbst mit sinkenden Kommunalsteuereinnahmen konfrontiert, trug den Kurs voll mit. Auf der einen Seite empfindlich weniger Zuschüsse, auf der anderen Seite der ungestillte Durst nach einer Million Euro jährlich – wie könnte es also mit der Destination weitergehen?

Der vermeintliche Ausweg: Die Gründung zweier Tochtergesellschaften. Gemeinsam mit der Unternehmerfamilie Reichel sollte die Destination Wattens ins Verpflegungs- bzw. Cateringgeschäft sowie ins Putzgeschäft einsteigen. Passenderweise ist Familie Reichel mit ihren Firmen „Blitzblank“ und „Gaumenglück“ bereits in beiden Geschäftsbereichen tätig. Eigene Tirol-Ableger gemeinsam mit der Destination Wattens sollten den Einstieg in den westösterreichischen Markt ebnen. Die ersten lukrativen Kundinnen sollten Swarovski und Gemeinde sein. Der Plan dahinter: Innerhalb weniger Jahre Umsätze in Millionenhöhe einfahren und einen Teil der möglichen Gewinne zur Finanzierung der Destination Wattens nutzen. Und tatsächlich: Blitzblank putzt schon seit einigen Monaten in Wattens. Gaumenglück kümmert sich seit 10. Jänner 2022 um die Swarovski Kantine im Haus Marie.

Gründung ohne Genehmigung

Wo ist das Problem, höre ich Sie jetzt fragen? Nun, es sind gleich zwei Probleme: ein strategisches und ein politisches. Die entscheidende Frage hinter dem strategischen Problem lässt sich nicht so einfach beantworten. Sie lautet: Ist es im Interesse der Marktgemeinde Wattens, immerhin 40%-Gesellschafter der Destination Wattens, dass mit öffentlichen Geldern privatwirtschaftliche Tochtergesellschaften gegründet werden, die mit Startvorteilen ausgestattet auf den Markt losgelassen werden, um Geld für den Betrieb der Destination zu verdienen? Da kommt man schnell ins Nachdenken: Wie passt das zur Grundaufgabe der Destination Wattens? Welche Risiken werden hier der Öffentlichkeit aufgebürdet? Welche Kontrollmöglichkeiten bleiben der Allgemeinheit? Viele Fragen, keine Antworten.

Das politische Problem lässt sich dagegen glasklar beantworten: Die Gründung einer Tochtergesellschaft durch die Destination Wattens benötigt eine politische Willensbildung und die Genehmigung durch den Gemeinderat. So hat es der Gemeinderat bei der Gründung der Destination Wattens 2011 in weiser Voraussicht festgelegt. Und jetzt kommt’s: Eine Diskussion im Gemeinderat hat es nie gegeben, geschweige denn eine Genehmigung! Bürgermeister Thomas Oberbeirsteiner hat im Alleingang und hinter verschlossenen Türen irgendwann im September 2021 bei der Gesellschafterversammlung gemeinsam mit den Vertretern der Firma Swarovski diesen Plan abgenickt. Behandlung, Diskussion und Genehmigung im Gemeinderat: Fehlanzeige. Oder anders ausgedrückt: Bei einer der wichtigsten Weichenstellungen in Sachen Destination ließ Bürgermeister Oberbeirsteiner den Gemeinderat und damit die Öffentlichkeit einfach außen vor.

Schon bisher kam der Gemeinderat lediglich über den „Umweg“ Bürgermeister oder durch Präsentationen von Geschäftsführer Matthias Neeff an Informationen über die Destination. Echte Kontrollmöglichkeiten gibt es keine. Selbst der Finanzverwalter der Gemeinde hat so gut wie keine Einsichtsrechte in die Zahlen der GmbH. Die Entscheidungen werden in der nicht öffentlichen Gesellschafterversammlung getroffen. Mit der nicht genehmigten Gründung der Tochtergesellschaft „Gaumenglück Tirol GmbH“ bekommt der Kontrollverlust eine neue Dimension.

Gemeinderat Lukas Schmied hatte in der Gemeinderatssitzung am 16. Dezember 2021 dezidiert auf diesen eklatanten Missstand hingewiesen. Die Reaktion? Nicht vorhanden. Bürgermeister und Amtsleitung sehen kein Problem. Die Opposition und jeder vernünftige Kopf im Gemeinderat schweigen. Was kann man als einzelner Gemeinderat da noch tun? Eine Hoffnung liegt auf Presse und Öffentlichkeit. Eine andere bei der Gemeindeaufsichtsbehörde.

Beim Schauspiel rund um die Gründung der „Gaumenglück Tirol GmbH“ bleibt selbst Insidern die Spucke weg. Es ist ein anschauliches und erschreckendes Beispiel für Hinterzimmerpolitik und Intransparenz in Wattens.

Lukas Schmied

Anmerkung: Alle relevanten Unterlagen (Protokolle, Verträge, Firmenbucheinträge) wurden eingesehen oder liegen in Kopie vor.

Chronologie, oder: Was bisher geschah

Eine kleine Chronologie zur „Gründungsgeschichte“ von Gaumenglück Tirol

23. September 2021

Gesellschafterversammlung

Gesellschafterversammlung der Destination Wattens, Bürgermeister stimmt der Gründung von Tochtergesellschaften zu. Keine Information an den Gemeinderat.

23. September 2021
19. Oktober 2021

Gaumenglück sucht Arbeitskräfte für Wattens

Gaumenglück sucht auf seiner Website Arbeitskräfte für den Standort Wattens, da hier mit Jahresbeginn 2022 der Kantinenbetrieb von Swarovski Werk I und Werkstätte Wattens (ehem. Swarovski Werk II) übernommen werden soll.

19. Oktober 2021
21. Oktober 2021

Erste Information an den Gemeinderat

Erster Informationstermin zur „Zukunft der Destination Wattens“, Matthias Neeff präsentiert das Geschäftsmodell in der Werkstätte Wattens und erklärt die neue Finanzierungsidee durch Tochtergesellschaften, erstmals fällt der Name „Gaumenglück“ offiziell im Kreis des Gemeinderats, Umsätze in Millionenhöhe und die finanzielle Eigenständigkeit der Destination Wattens werden in Aussicht gestellt.

21. Oktober 2021
22. November 2021

Der Gesellschaftsvertrag wird unterzeichnet

Der Gesellschaftsvertrag der „Gaumenglück Tirol GmbH“ wird von Matthias Neeff und Lorenz Reichel unterzeichnet; die Destination Wattens hält 60%, die Gaumenglück Restaurantbetriebs- und Catering GmbH hält 40% an der Gesellschaft.

22. November 2021
1. Dezember 2021

Gründung läuft ohne Genehmigung

Gemeinderat Lukas Schmied hatte nach der Präsentation im Oktober auf einen Folgetermin gedrängt, da für ihn Zahlen und Vorgangsweise nicht nachvollziehbar und intransparent erschienen; der Termin findet wieder in der Werkstätte Wattens mit Matthias Neeff und insgesamt vier (!) GemeinderätInnen statt; der Bürgermeister und seine beiden Vize sind nicht dabei; wichtigste Erkenntnis des Abends: die Gründung der Gaumenglück Tirol GmbH sei bereits im Laufen.

1. Dezember 2021
16. Dezember 2021

Gemeinderatssitzung ohne Reaktion

Gemeinderat Lukas Schmied macht bei der öffentlichen Gemeinderatssitzung darauf aufmerksam, dass die Gründung von Tochtergesellschaften der Destination Wattens laut Gesellschaftsvertrag und Gemeinderatsbeschluss vom 17. November 2011 der Behandlung durch den Gemeinderat samt Genehmigung bedürfe und dies nicht stattgefunden habe. Zugleich bringt er einen alternativen Vorschlag ein, wie die Destination Wattens im Sinne der Allgemeinheit weitergeführt werden kann. Reaktion von Bürgermeister, Amtsleiterin und Gemeinderat: gleich Null; mit Gegenstimme von Lukas Schmied beschließt der Gemeinderat einen vorgezogenen Zuschuss an die Destination Wattens in Höhe von EUR 385.000,-*

16. Dezember 2021
28. Dezember 2021

Eintragung im Firmenbuch

„Gaumenglück Tirol GmbH“ wird im Firmenbuch eingetragen.

28. Dezember 2021
10. Jänner 2022

Gaumenglück serviert

Gaumenglück serviert die ersten Mahlzeiten in der Swarovski Kantine im Haus Marie.

10. Jänner 2022
11. Jänner 2022

Nachfrage bestätigt: keine Genehmigung

Auf Nachfrage per E-Mail erfährt Gemeinderat Lukas Schmied von Amtsleiterin Simone Riedl, dass das „Projekt“ dem Gemeinderat präsentiert worden sei und eine allfällige Entscheidung aus Gründen der Vertraulichkeit – wenn überhaupt – im Gemeindevorstand zu erfolgen hätte. Mehrere Gemeindevorstände gaben auf Nachfrage an, das Thema in keiner Gemeindevorstandssitzung genehmigt zu haben. Warum die Gründung der Tochtergesellschaft als vertraulich einzustufen sei, bleibt unklar.

11. Jänner 2022
17. Jänner 2022

Aufsichtsbeschwerde eingebracht

Nach Rücksprache mit dem Land Tirol / Abteilung Gemeinden hat Gemeinderat Lukas Schmied eine Aufsichtsbeschwerde bei der zuständigen Behörde eingebracht. Der Beschwerdegrund: Missachtung des Gemeinderats durch den Bürgermeister.

17. Jänner 2022
3. Feber 2022

Gemeinderat genehmigt mit 18:1

Unter Tagesordnungspunkt „2d) Destination Wattens; Unternehmensgründungen“ der Gemeinderatssitzung wird über die Genehmigung der bereits gegründeten Gaumenglück Tirol GmbH und der noch zu gründenden Blitzblank Tirol GmbH (vermuteter Name) abgestimmt. Gemeinderat Lukas Schmied bringt einen Gegenantrag ein und argumentiert diesen gründlich. Das Abstimmungsergebnis nach intensiver Diskussion: Ablehnung des Antrags von GR Schmied mit 18:1 Stimmen und Annahme des Antrags des Gemeindevorstandes mit 18:1 Stimmen. Erschreckendes Detail: Weder Bürgermeister, noch Amtsleiterin noch Langzeit-Gemeinderat Erich Steiner wussten, wie mit einem Antrag zu einem konkreten Tagesordnungspunkt umzugehen ist (Antwort liefert §41 Tiroler Gemeindeordnung). Das Vorgehen bei der Abstimmung erschien vielen Anwesenden als demokratiepolitisch bedenklich.

3. Feber 2022
8. Feber 2022

BH Innsbruck beantwortet Aufsichtsbeschwerde

Als zuständige Behörde beantwortet die BH Innsbruck die Aufsichtsbeschwerde von Gemeinderat Lukas Schmied. Nach der im Nachhinein erfolgten Genehmigung im Gemeinderat schreibt die BH Innsbruck: „…, sodass ein weiteres Tätigwerden der Aufsichtsbehörde nicht notwendig ist“. Dokumente (Gesellschaftsvertrag, Protokolle etc.) berücksichtigt die Behörde dabei nicht, sie gibt sich mit der Stellungnahme von Bürgermeister und Amtsleiterin zufrieden.

8. Feber 2022

*) Die Destination Wattens hat die Marktgemeinde Wattens gebeten, den Zuschuss für 2022 (EUR 265.000,-) und den Zuschuss für 2023 (EUR 120.000,-) vorzuziehen und in zwei Tranchen zu überweisen (Jänner und Juli 2022).

7 Kommentare

  1. Bravo, jetzt wird die Bevölkerung endlich über die Oberbeiersteiner/Langes -Kumpanei aufgeklärt. Notwendig wäre auch Aufklärung über die schon vom Alptraumteam Troppmair/Braun etablierten und von der Swarovski-Marionette Oberbeiersteiner weiter forcierten Wattner Museen.

    • Vielen Dank für die Einblicke, als Bürger von Wattens bekommt ma ja so einiges nicht mit. Erinnert etwas an die Olympiaworld in Ibk wo seit Jahrzehnten durch öffentliche Gelder als „Sponsoring“ getarnt der Betrieb am laufen gehalten wird. Ein Fass ohne Boden finanziert vom Steuerzahler.
      Mfg

  2. Gratuliere Herrn Mag. Schmied zum grandiosen Wahlerfolg!
    Nach so einer Niederlage gebietet der politische Anstand den Rücktritt des Steuergeldjongleurs Oberbeirsteiner. Der zeitnahe Ausstieg aus dem unglücklichen Braun/Troppmair-Konstrukt Destination Wattens kann in Hinsicht auf die Gemeindefinanzen dringend empfohlen werden. Es spricht für die Wachsamkeit der Wattner Bevölkerung dass die wirtschaftlichen „Erfolgsgeschichten“ des Bürgermeisters nicht mehr geglaubt werden.

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