Müssen wir das Rad neu erfinden?

Das eigene Radl hat mir vor knapp 40 Jahren eine neue Freiheit gebracht: Ein altes, ausgedientes, gelbes, Klapprad meiner Tante. Der Weg in die Schule oder zu Freunden im Ort war plötzlich so viel einfacher.

Es hat mich durch die Jugend begleitet und dann, in der Studienzeit in Innsbruck, hat es mir auch dort viele Wege verkürzt, auch wenn ich in der Zeit in Wattens gewohnt habe. Und danach, als sich mein Lebensmittelpunkt zwischenzeitlich von Wattens an andere Orte verschob? Auch dann gab es dort immer ein Fahrrad, auf dem ich sehr oft saß – mal ein rotes, mal ein grünes und auch eines in Silber-metallic. Meistens alt, aber gut.

Einfach von A nach B zu kommen, ist nur ein Aspekt des Radfahrens. Der motorisierte Individualverkehr verursacht den Großteil der Anrainerbelastungen und der Überlastung von so manchem Straßenzug in Wattens. Verkehr verbraucht generell den größten Anteil am Erdöl, weit mehr als Industrie und Wärmegewinnung. Die E-Mobilität wird an der Verkehrsüberlastung wenig ändern.

Wenn wir uns klar darüber werden, dass mehr als die Hälfte aller Wege, die wir heute mit dem Auto zurücklegen, unter zehn Kilometer, ja die meisten sogar unter vier Kilomter lang sind, dann wäre das doch die Gelegenheit, durch die Nutzung des Fahrrades gesünder, achtsamer, klima- und umweltfreundlicher unterwegs zu sein – und noch dazu wesentlich kostengünstiger. Den Weg vom Bahnhof bis zu mir nach Hause – das sind nicht einmal zwei Kilometer – schaffe ich in fünf bis sechs Minuten. Das Abholen aus dem Keller und das Abstellen am Bahnhof sind da schon miteingerechnet (da sind wir allerdings bei einem weiteren Thema). Und Du?

Damit das Rad im Alltag zum Fortbewegungsmittel der Wahl wird, braucht es bestimmte Voraussetzungen. Mindestens zwei davon hat Wattens von Natur aus: Die Topographie und die Ausdehnung unserer Heimatgemeinde sind ideal, um mit dem Fahrrad schnell in alle Winkel des Dorfes zu gelangen. Kaum irgendwo ist es übermäßig steil. Wohngebiete, Schulen, das Ortszentrum, Sportstätten, soziale Einrichtungen, der Bahnhof und Bushaltestellen, und auch der Friedhof liegen allesamt innerhalb eines kompakten Raumes.

Apropos Friedhof: Mit der Sicherheit von Radfahrern und Fußgängern schaut es in Wattens weit weniger zufriedenstellend aus. Da attraktive und einladende Rad- und Fußwege fehlen, braucht es in Wattens auch viel Mut: Es ist gefährlich, als Erwachsener und besonders mit Kindern durch den Ort zu radeln. Entlang der wichtigen Verbindungen zum Bahnhof und entlang der Bundesstraße gibt es keine ausreichende Radinfrastruktur. Abseits davon sieht es nicht viel anders aus.

Ein Paket an sinnvollen Maßnahmen liegt seit drei Jahren vor. Es wurde von Gemeindevertretern und von vielen Radfahrern gemeinsam im Rahmen des Projekts PRO-BYKE entwickelt und enthält viele Vorschläge, die recht einfach und mit geringen Kosten umsetzbar wären. Vieles davon findet sich auch im Verkehrskonzept der Gemeinde wieder, auf dessen Vorstellung und breite Diskussion wir seit nunmehr zwei Jahren warten.

Müssen wir das Rad also neu erfinden?

Sicher nicht! Fast alle von uns besitzen eines. Wir nutzen es in der Freizeit, aber zu selten im Alltag. Warum? Vielleicht weil das Auto eh schon vor der Tür steht und die Verkehrsinfrastruktur uns auch nicht dazu einlädt. Sie sperrt das Fahrrad aus und wir können uns nie sicher fühlen, wenn wir am Rad sitzen. Auch hier liegt schon viel Arbeit in den Schubladen: In anderen Gemeinden, nah wie fern, gibt es exzellente Beispiele, wie Konfliktsituationen zwischen motorisiertem und körperaktivem Individualverkehr kreativ gelöst und die Menschen zur Nutzung ihres Fahrrades motiviert werden.

3 Kommentare

  1. Hallo Christoph,
    bin selbst passionierte Radfahrerin und mache meine Wege im Dorf am liebsten mit dem Rad. Seit der exorbitanten Preiserhöhung des Sprits sind es schon einige mehr geworden, die mit dem Rad unterwegs sind oder zu Fuß zu ihren Arbeitsplätzen marschieren. Schön wäre natürlich gewesen, dass es diesen Grund nicht gebraucht hätte.
    Einkäufe in div. Geschäften zu machen und die Taschen immer wieder ab- und aufzuladen erfordert einiges Geschick. Das ist sicher für viele eine Hürde. Dafür sollte es eine Lösung geben.
    Lb. Gruß
    Elisabeth

    • Guten Morgen Elisabeth!
      natürlich wäre es gut gewesen, wenn nicht erst die Spritpreiserhöhung durch die Kise der Grund für die Steigerung des Radverkehrs-Anteils wäre. Dazu war es aber wohl einfach immer zu bequem, mit dem Auto schnell ins Dorf zu fahren und zudem zu billig (und ist es eigentlich noch immer – einen Gutteil der Kosten, die durch motorisierten Individualverkehr enstehen, trägt ja die Allgemeinheit!). Zudem fehlt es an Rad-Infrastruktur, sicheren Radwegen und guten Abstell/Parkmöglichkeiten.
      Du sprichst da ein Thema an, das auch unsere Köpfe schon einige Zeit lang beschäftigt. Das Maßnahmenpaket des Pro-BYKE Projektes sowie auch die Planungsunterlagen des Verkehrskonzeptes sehen eine deutlich Steigerung der Qualität der Rad-Abstellanlagen vor. In einigen Teilen unserer Gemeinde wurde das vom Bauhof ja auch schon umgesetzt (Zentrum Begegnungszone, Haus am Kirchfeld und die eine oder andere Position im Dorf). Allerdings sind vor den Supermärkten und vielen anderen Geschäften, die Abstellmöglichkeiten sehr eingeschränkt bis nicht vorhanden. Es ist eines unserer großen Anliegen, gemeinsam mit den Supermarktketten und den Einzelhändlern Lösungen zu entwickeln, wie der Einkauf mit dem Rad besser bewerkstelligt werden kann und dass die Abstellanlagen für Fahrräder nicht weiterhin so stiefmütterlich behandelt werden. Attraktive Infrastruktur leistet einen großen Beitrag im Umstiegsprozess vom motorisierten Individualverkehr zum platzsparenden und umweltschonenden Rad- und Fußverkehr im Nahbereich.

  2. Gut zu hören, dass mein Anliegen auch schon eures ist 🙂 Die Supermärkte werden auf Kundenwünsche und Klimaziel-Maßnahmen reagieren. Da bin ich mir fast sicher. Im letzten halben Jahr wurde bereits viel umgesetzt. Wenn Radfahren noch mehr beworben wird, Radwege erweitert werden und Veranstaltungen stattfinden, die den Mehrwert aufzeigen, dann verändert sich auch das Verhalten der Wattener Bürger, denke ich.

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